Kennen Sie Hugo Wolf?

Wissenswertes, Ungewöhnliches und Neues zu Leben und Werk des Komponisten

Hier finden Sie jede Woche eine neue Frage zu Hugo Wolf - und natürlich auch eine Antwort darauf. Ergänzt werden diese klenen Einblicke in das Leben und Schaffen Hugo Wolfs von kleinen Illustrationen, die der Zeichner und Animationsregisseur Moritz Mayerhofer exklusiv für diese Reihe angefertigt hat. 

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Illustration von Moritz Mayerhofer

Hugo Wolf wurde am 13. März 1860 in Windischgrätz/Steiermark (heute: Slovenj Gradec/Slowenien) in ein gut bürgerliches und (zunächst) durchaus wohlhabendes Elternhaus geboren. Er war der zweite Sohn des Lederermeisters Philipp Wolf (1828–1887) und dessen Frau Katharina (1824-1903), die insgesamt acht Kinder hatten: fünf Mädchen, von denen zwei im Kindesalter starben, und drei Jungen. Der Vater Philipp betrieb die Lederfirma in der bereits dritten Generation mit durchaus großem Erfolg, sodass die Familie in moderatem Wohlstand ein durchaus idyllisches Familienleben führte, das allerdings durch einen katastrophalen Brand überschattet wurde, der 1867 den Großteil des Hauses, die Werkstatt und die Lagerräume vernichtet. Danach konnte Philipp Wolf nicht mehr an den Wohlstand und den den Besitz früherer Zeiten anknüpfen.


Hugo Wolfs Elternhaus steht auf dem Hauptplatz 40 in Slovenj Gradec und beherbergt seit 2010 das Hugo-Wolf-Museum (www.hugowolf.si).   


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Geburtshaus von Hugo Wolf in Slovenj Gradec / Windischgrätz, Quelle:  https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hugo_Wolf_Slovenj_Gradec.jpg

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Illustration von Moritz Mayerhofer


Auch wenn Wolf nicht in einem Musikerhaushalt aufwuchs – sein Vater Philipp Wolf war Lederermeister und betrieb ein Ledergeschäft –, so war es sehr wohl ein musikalisch vielseitig gebildetes Elternhaus. Der Vater machte seine Kinder früh mit Musik vertraut, spielte selbst verschiedene Instrumente und musizierte in privaten Ensembles. Mit fünf Jahren erhielt Hugo von seinem Vater Klavier- und Geigenunterricht. Doch in Philipp Wolfs Augen war die Musik ein rein privates Vergnügen; eine professionelle Musikerlaufbahn hatte er für keines seiner Kinder im Sinn gehabt – im Gegenteil. Er versuchte seinen zweitgeborenen Sohn von diesem Kurs abzubringen und sah sich später auch in seiner Einstellung zum Musikerberuf bestätigt, als die Anerkennung von Wolfs Schaffen auf sich warten ließ und der finanzielle Erfolg ausblieb.


Hugo Wolf war aber offenbar bereits im Alter von sechs Jahren (angeblich nach einem ersten großen Auftritt als Wunderkind im Mozartkostüm beim Fasching 1866) entschlossen, die Musikerlaufbahn einzuschlagen – gegen den ausdrücklichen Willen des Vaters, der rückblickend mit der Entwicklung keines seiner Kinder besonders glücklich war. So schreibt er am 24. Dezember 1879 an Hugo: „Wenn ich nun so Revü halte über meine Kinder, so zeigt sich daß Modesta schlecht verheiratet ist, Gilbert ein ebenso schlechter Lederer als Max ein unwissender Kaufmann ist, und endlich Du ([Hugo] aus der 4. Classe ausgetreten um die unsicherste aller Existenzen zu suchen .“


Doch Hugo Wolfs Wunsch, Musiker zu werden, war so stark, der Entschluss so unverrückbar, dass er als 15-Jähriger, am 29. Juni 1875, an den skeptischen Vater schrieb: „Mir ist die Musik wie Essen und Trinken.“

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Illustration von Moritz Mayerhofer

 
Wie so viele Komponisten seiner Zeit, war auch Hugo Wolf dem Bann Richard Wagners und seiner Musik erlegen. Im November 1875 kam es zu einem wahrhaft prägenden und einschneiden Ereignis in Wolfs Leben: Er traf den verehrten Meister persönlich in Wien, was er überschwänglich und wahrhaft glühend vor Begeisterung und Ehrfurcht in Briefen an die Eltern schilderte - ebenso wie die überhaupt erste Begegnung mit der Musik des   vergötterten Idols. So schreibt Wolf am 23. November 1875 an die Eltern: 


"Richard Wagner befindet sich seit 5. November in Wien, im Hotel Imperial. Er bewohnt mit seiner Frau 7 Zimmer. Trotzdem er schon so lange in Wien ist, hatte ich nicht eher das Glück und die Freude, ihn zu sehen, als am 17. November vor dem Eingang in das Hofoperntheater, von wo ich mich auf die Bühne begab und den Proben zuhörte, denen Wagner beiwohnte. Mit einer wahrhaft heiligen Scheu betrachtete ich diesen grossen Meister der Töne, denn er ist nach dem jetzigen Urteile der erste der Opernkompositeur unter allen Künstlern. Ich ging ihm einige Schritte entgegen und grüßte ihn ganz ehrerbietig, worauf er mir freundlich dankte. Schon von diesem Augenblicke an hatte ich eine unüberwindliche Neigung zu Richard Wagner gefasst, ohne noch eine Ahnung von seiner Musik zu haben. Erst am Montag wurde ich in seine wunder bare Musik eingeweiht, es war "Tannhäuser", unter der Anwesenheit des großen Richard Wagner. [...] Schon die Ouvertüre war wundervoll und erst die Oper - ich finde keine Worte dazu, diesselbe zu beschreiben. Ich sag' Ihnen nur, daß ich ein Narr bin. Nach jedem Akt wurde Wagner stürmisch hervorgerufen, und ich applaudierte so, daß mir die Hände wund wurden. Ich schrie nur immer "Bravo Wagner, Bravissimo Wagner", sodaß ich fast heiser geworden bin und die Leute mehr auf mich als auf Wagner schauten. [...] Ich bin durch die Musik dieses großen Meisters ganz außer mir gekommen und bin ein Wagnerianer geworden. "


So sehr der junge aufstrebende Komponist das große Vorbild bewunderte und ihm nacheiferte, so schwierig war es aber auch für ihn, sich musikalisch von diesem zu emanzipieren und seinen eigenen Stil zu finden. „Was bleibt mir da noch zu tun übrig? Er hat mir keinen Raum gelassen“, stellte Wolf in einem Brief an Melanie Köchert 1882 konsterniert fest.


Wie Wagner strebt Wolf bekanntlich auch nach der großen Oper. Das war es, was er eigentlich komponieren wollte. Doch der Erfolg auf diesem Gebiet war ihm nicht beschieden. Nur eine Oper und ein Opernfragment gehören zu Wolfs Schaffen. Seine wahre Berufung war die kleine Form, das Lied, die Wolf in der Vollendung beherrschte - und die vielleicht seine Antwort auf das übergroße Idol Richard Wagner war.        

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Illustration von Moritz Mayerhofer


Bereits im Kindesalter entschloss sich Hugo, die Musikerlaufbahn einzuschlagen – gegen den ausdrücklichen Willen des Vaters. Sein Wunsch, Musiker zu werden, war so stark, dass er mehrmals hatte die Schule wechseln müssen, da er offenbar nur die Musik im Kopf hatte und weniger die schulische Disziplin. Allerdings mag hierzu auch sein aufsässiges, aufbrausendes Temperament beigetragen haben.


Trotz diverser Dispute mit dem Vater, der den beruflichen Ambitionen seines Sohnes mit großer Skepsis begegnete, begann der 15-jährige 1875 ein Musikstudium am Wiener Konservatorium. Dieses sollte allerdings nicht lange währen: Wolf, dem die dortigen Unterrichtsmethoden - nicht zuletzt auch durch die Bekanntschaft mit der Musik Richard Wagners (und einer persönlichen Begegnung mit dem vergötterten Genie) - bald zu konservativ und überaltet erschienen, erklärte noch vor Abschluss seines 2. Studienjahrs dem Direktor des Konservatoriums, dass er das Konservatorium, wo er „mehr vergessen als gelernt hätte“, verlassen würde. Dies führte 1877 zum Ausschluss Wolfs vom Konservatorium „wegen Disziplinlosigkeit“.


Somit blieb der Komponist – von diesen zwei Jahren Konservatorium abgesehen – eigentlich ohne Ausbildung. Der Vater stellte infolge der Geschehnisse die finanzielle Förderung des Sohnes ein, was diesem fortan ein Leben in ständiger Geldnot bescherte, zumal sich Wolf beruflich nie sehr lange auf einem Posten hielt.

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Illustration von Moritz Mayerhofer


Nach dem gescheiterten Konservatoriumsbesuch stellte der Vater die regelmäßigen Geldzuwendungen an den Sohn ein. Dieser sollte fortan das freie Leben eines „romantischen“ Künstlers führen – in ständiger Geldnot und bis 1896 (!!) ohne eigene Wohnung. Nahezu 20 Jahre vagabundierte Wolf zwischen den verschiedensten Wohnsitzen hin und her – weit über 30 verschiedene Adressen wären hier zu nennen. Zumeist waren es Wohnungen oder Häuser von Freunden, die Wolf einluden, bei ihnen für eine Zeit zu wohnen. Erst im Juli 1896, im Alter von 36 Jahren, bezog Wolf erstmals in seinem Leben eine eigene Wohnung – in Wien in der Schwindgasse 3. Wiederum wurde dies nur durch die Hilfe seiner Freunde ermöglicht, allen voran von seinem Stuttgarter Mäzen, dem Rechtsanwalt Hugo Faißt.

So schreibt Hugo Wolf am 1. Juli 1896 an den Freund Hugo Faißt in Stuttgart: "Hier hause ich nunw ie ein König u. freue mich meines Daseins. Es ist das erstemal in meinem Leben, daß ich über ein eigenes Heim gebiete. Wie dankbar ich diese Wohltat empfinde, das kann nur jemand ermessen, der wie ich  ein halbes Menschenleben hindurch ein Nomadendasein geführt hat. Endlich bin ich also seßhaft geworden, "im ächten Land, im Heimathland, auf eigener Weid u. Wonne" wie Kurwenal singt. Von den Wänden meines Arbeitszimmer herab grüßen mich meine theuren (in jedem Sinn theuren) Bücher, die ich so schmerzlich entbehrt habe. Mein alter Bösendorfer, der jahrelang bestaubt in der Klavierfabrik nach einem Ton schmachtete, dröhnt u. schmettert wie Posaunenschall, wenn ich einmal loslege. [...] Lass Dich  küssen u. umarmen, Du lieber guter Mensch, Freund, Bruder u. Genosse. Ich kann nur mit Florestan ausrufen: Euch werde Lohn in bess'ren Welten."

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Illustration von Moritz Mayerhofer


Freunde spielten zeit seines Lebens eine enorm wichtige Rolle für Hugo Wolf, schließlich waren es stets Freunde und nahestehende Bekannte, die ihn, der selbst ohne Familie blieb, in allen Lebenslagen unterstützten – finanziell, durch Bereitstellung von Unterkünften und auch in musikalischer Hinsicht.

Zum engsten Freundeskreis seiner Wiener Jahre gehörten der Dirigent und Komponist Felix Mottl (1856-1911) und der Komponist Adalbert Goldschmidt (1848-1906) – beide unterstützten Wolf in seiner musikalischen Entwicklung. Eine lebenslange Verbindung pflegte er zu den Familien von Maria Werner (1845-1914) und Heinrich Köchert (1854-1908), die ihm in Wien wiederholt Wohnmöglichkeiten zur Verfügung stellten und an seinem persönlichen Schicksal regen Anteil nahmen.


​Gesellschaftlich profitierte Wolf von der Freundschaft zu dem Journalisten Gustav Schönaich (1840-1906), der gute Verbindungen in das Wiener Musik- und Gesellschaftsleben hatte. Mit dem Stuttgarter Rechtsanwalt und Wolf-Bewunderer Hugo Faißt (1862-1914) verband ihn ab 1894 eine enge Freundschaft. Faißt gründete 1898 nicht nur den Stuttgarter Hugo-Wolf-Verein, sondern unterstützte den Komponisten finanziell bis zu seinem Tod.

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Illustration von Moritz Mayerhofer

Nach dem vorzeitigen Abbruch seines Musikstudiums befand sich Hugo Wolf in einer prekären finanziellen Lage. Die regelmäßigen Geldzuwendungen des Vaters hatte dieser aus Enttäuschung eingestellt, vor der Mittellosigkeit bewahrten ihn fortan Freunde, die ihn auf diverse Weise unterstützten. Jahre des Nomadendaseins folgten, in denen er von einem großzügig zur Verfügung gestellten Quartier zum nächsten zog. Zwar konnten ab 1889 einige seiner inzwischen musikalisch gereiften Kompositionen verlegt werden, Wolfs hitziges Temperament und seine kompromisslose Ader führten aber auch hier nur zu mittelmäßigen Erfolgen. Zähe Vertragsverhandlungen, häufige Verlagswechsel und finanziell unrentable Veröffentlichungen waren das Resultat. Kurzum, für ein wirtschaftlich unabhängiges Leben als Komponist reichte es vorne und hinten nicht.

Um sich über Wasser zu halten, nahm Hugo Wolf 1881 eine Stelle als Korrepetitor, Chordirektor und Assistent des Kapellmeisters Karl Muck am Salzburger Landestheater an – wohlgemerkt ohne eine entsprechende Ausbildung zu haben. Nach einer erfolgreichen Anfangsphase verkrachte sich Wolf allerdings bereits im Januar 1882 dermaßen mit dem Orchester und Karl Muck, dass „ein heftiger Wortwechsel zwischen mir und Direktor […] die beiderseitige Kündigung“ herbeiführte (Brief an den Vater vom 4. Januar 1882). „Das Theater hier ist mehr eine Intriganten- als Kunstschule.“, schreibt er weiter in diesem Brief. „[…] Vom 16. ab gehöre ich nicht mehr diesem Saustall an.“ Wolf war also wieder ohne Anstellung.

 

Nach seiner Rückkehr nach Wien entstanden weitere Kompositionen, und er hielt sich mit Unterrichten (vor allem Klavier, auch Violine und Gesang) mehr schlecht als recht über Wasser. Eine Anstellung als Musikkritiker beim Wiener Salonblatt, die ihm ein Freund vermittelt hatte, hielt er immerhin drei Jahre von 1884-1887, bevor er auch diese Tätigkeit auf eigenen Wunsch beendete. Mit dem Rezensieren ließ sich das Komponieren für Wolf schlichtweg nicht vereinen – so entstanden in den Jahren 1884-1886 gerade mal vier Lieder.